The Hoarder EP1- TV Messi Reality Show

Tina arbeitet für Menschen, die in Häusern leben, nicht mehr Herr über diese sind und deshalb um Hilfe bitten. Das ist nicht so einfach, denn die zum sammeln, dann hortenden Geplagten müssen sich erst bewerben. Erst dann kann mit menschlicher Hilfe für ihr Kümmernis gesorgt werden. Die vielzähligen Bewerbungen der sammeln- und hortenden Messis gehen an den Sender, wo in einem Team von Redakteuren, in einer Vorauswahl die Massen von Realities auf drei reduziert worden sind. Messi sein ist keine Nische mehr in der Gesellschaft, die Gradation, wie schwer befallen, variiert von der Kategorie: „Auf hoher See ist alles drunter und drüber gegangen- ich kann dafür nichts. Ich bin nur Mensch, das Unglück war einfach zu überwältigend“. Eine weitere Variante;  Die Häuser der Bedrückten wollen nichts mehr hergeben, möchten bis zur Decke hoch mit Dingen vollgestopft sein: „Mir ist das Haus über den Kopf gewachsen-das kam alles so schleichend. Alles, was mein Haus als Meister der Dinge braucht, sind noch mehr davon. Allen möglichen Kram“.

Tina weiß bescheid. Sie hat schon so vielen Menschen geholfen alles, was gesammelt und gestaut, beherbergt wurde, loszuwerden. Viele dieser Menschen haben vom Leben einen Knacks abbekommen. Tina hat über die Jahre, in denen sie eifrig zur Seite der Gekrümmten gestellt worden war, viel Einsicht und Mitgefühl entwickelt. Mit Ihrem Psychologie Studium hat Sie die Grundlage gelegt hinter die Dinge zu sehen. Damals in Marburg, als die Umstände es ihr nicht erlaubten, das Studieren zu beenden. 4 intensive Semester mit Disziplin, hingebungsvoll ausgerichtet auf das Verstehen der Systemischen Psychologie, wollte Sie schon sehr früh Menschen helfen und verstehen was hinter all dem steht.

Bei einem Messi, an den sich Tina noch sehr gut erinnert, gab es WELTEN, die angestoßen werden mussten, um sich von dem armselig kleinen Eichhorn, dem Paten des Hauses zu verabschieden. Raus damit. Alles! Klar, kann sie das nicht alleine bewältigen. Wie auch?- dazu braucht sie Verbündete im Geiste. Menschen, die ein sensibles Bewusstsein haben und eine steht‘s wache Achtsamkeit. Das ist die Voraussetzung, sonst geht es einfach nicht, Menschen in Not hilfsbereit zur Seite zu stehen. Der Besagte ließ sich nur ganz listig befreien, aber die Weichen waren von den einzelnen Akteuren vorab günstig gelegt. Zufälle halfen, das Team optimal in das Mobile der Gegebenheiten einzubringen. Alle sahen die Zeichen und ergriffen jeden nur vorhandenen Hebel. Zum Schluss, einmal nach dem letzten Besenstrich, mit Weihrauch gut ausräuchern. Die Luft wird ganz septisch und der süßliche Geruch lässt kaum mehr amten vor Freude über die Überwindung der Ohnmacht. Erstaunen und Dankbarkeit alles vom Halse zu haben. Aufgeräumte Leerheit. Aber bis dahin ist’s noch ein weiter Weg.

Die Galaxien der Widerstände, Zweifel und Missgunst müssen die Pflüger im Geiste erforschen und aus dem Weg räumen. Das Team fühlt sie, körperlich; Präexistenzen, Ahnen und den Zeitgeist. Ein ganzes Meer von osmotischem Plasma, teilweise wabernd und den verzweifelten Hausbewohner belagernd, gilt es zu durchforsten. Was denn nun? Hört, hört! Was war das Thema nochmal? Wer weiß es schon! Keiner kann’s sagen …“im rauschen von Heine, im Stillen der Nacht…“

Wenn alles im wechselseitigen Verständnis und guten Einvernehmen in Schwung gebracht wird, kann das Boot schon gut geschaukelt werden. Das ist beim  „ich bin nur Mensch, das Unglück war einfach zu überwältigend“ eine Glättungsaufgabe. Die gnadenlos gewaltsamen Wellen auf großer Fahrt, in tiefen Gewässern werden in ihren Amplituden verkleinert so lange, bis die See gleichmäßig da hin rollt. Jetzt gilt es dem Verständnis dienen, dem rational denkenden Geiste Folge leisten. Das macht dann auch Spaß. Tina lacht dabei und lässt sich gerne herzen. Die Geplagten und Bedrängten freuen sich, und sind sichtlich selbst erstaunt und können das Alles gar nicht fassen. Der Müll ist weg. Der Weg war lang und jetzt gibt’s kein halten mehr. Festhalten und klammern ist verboten, das darf nicht mehr sein.

Tina und ihr Team wissen, dass sie kein Ersatz für all die Sachen sein werden, wenn alles mal weggeschafft wurde. Das war auch kein Eingriff in das Karma der Menschen die nicht mehr in der Gewalt ihrer eigenen 4 Wände sind. Das sieht Sie ganz weltlich real. Sie hat die Weichen gelegt, solchen Menschen unter die Arme zu greifen. Es ist ihr Weg Ordnung zu schaffen.

Bei einem Auftrag hat sich folgendes ereignet, Tina erinnert sich noch ganz genau. Der Geplagte war der ersten Kategorie Messi zu zuordnen. Das gebeutelte Individuum verlies seinen vermeintlich sicheren Hafen als Angestellter, um seine ehrgeizigen Ziele, mit Wind geblähten Segeln in voller Fahrt und an den Grenzen seiner Möglichkeiten navigierend. Was daraus wurde? Ein Messi mit höchstem Schwierigkeitsgrad. Die Krümmung seines Unterbewussten, und auch die des oberirdischen Unternehmers war außer Rand um Band geraten. Kopfüber und Seitenverkehrt hatte sich Bobo, der Geplagte, damals bei Tina und Ihrem Team gemeldet und nach Hilfe gebeten.

Als erster Schritt sollten die persönlichsten Sachen in Angriff genommen werden. Ein raffinierter Trick, den Tina bei Gelegenheit schon mal anwendet. Briefe von Damals, extravagante Postkarten mit groß fröhlicher Schrift, aus dem Urlaub oder einfach nur so zum Gruße, in der -ich hab an dich gedacht-Manier, und viele wohlwollende Geburtstagskarten. Die Kisten mit dem Briefwechsel, auch bei diesen Utensilien gab es eine Unmenge von Angesammelten, hatten sie eine kleine Epoche lang im Haus von einer Seite auf die andere gestellt. Irgendwann schwappte dann eine Kartonverklappung auf, der Inhalt lugte ganz unverbindlich, an den Rändern der Umschläge leicht vergilbt, aus der jahrelangen Behausung heraus. „Ah, sieh da, das ist ein Brief, von meiner ersten großen Liebe nach meinem Realschulabschluss“. Reinschauen. Was für ne riesen verschnörkelte Schrift. Kreuz und quer, dachte Bobo und vertiefte sich in die Erinnerung. Alles um ihn herum trat angenehm vornehm in den Hintergrund, jetzt noch ein paar Schrittchen zur Seite und schon entsorgt auf leisen Erinnerungssohlen Tina und Ihr Team den offensichtlichen Schrott im Haus. Plastikbestecke, alte Sport-Magazine, die Erstausgabe Geo, extra verknautschte Sportschuhe, Flip-Flops, Karten und Brettspiele aus der Zeit der sonntagsnachmittags Spiele. Decken, alte Umzugskartons, die das Team ungeprüft entsorgt, Unmengen von Krimskrams, wofür es sich nicht lohnt einen Namen zuzuordnen. Autsch, ne Kiste voll alter rostiger Nägel und Muttern, Schraubenziehern und kleinhandwerkliche Geräte, wie Winkelschleifer, Akkubohrer, Hobel, Keile, Scharniere. Da war schon mal ein Funke entstanden, dachte sich Tina. Eindeutiges Indiz ist der automatische Hebekran – die lange Kralle zum hieven und verschieben. Ist wohl im Keime erloschen, die Rebellion des Geplagten gegen die Endmoräne der Unnötigkeiten. „Halt! Hört einen Moment auf damit. Die Maschinen, lasst doch bitte erst mal stehen“, meinte der Pate des Hauses, den 2ten Brief, der seinerzeit so existentialistisch Verehrten und Begehrten noch in der Hand haltend. Aber das ist auch kein Problem für Tina. Oft wird ihrer Arbeit scherzhaft als Tina, die Unternehmensberaterin belächelt. Das ist aber nicht der Fall, im Gegenteil. Sie hat Ihre Mitarbeiter derart geschult, dass dieses Aufbegehren der Geplagten, – mal inne zu halten – gar keine Beachtung findet. „Ihr dürft euch auf keinen Fall auf den Hausbewohner einlassen. Immer schön bei mir und der Sache bleiben“, predigt sie vor jedem Noteinsatz. „Ordnung der Dinge, Dinge der Ordnung“. Und so wird’s dann auch gemacht, denn Innehalten, das hätte sich der Messi wohl besser eher einfallen lassen müssen.

Am 2ten Tag rollte das gesamte Team an, Tina voraus. Sie fanden eine geschlossene Haustür vor. Überrascht, sind alle durch den leidig aussehenden Garten zur hinteren Verandatür über eine ganze Heerschar von Scherben gelaufen, untermalt von dem Knirschen des groben Gerölls und des klein gemörsten Glases. Die ganze Zeit über wünschte Tina sich einen Weg gesäumt von, kakaobraun sehnigen Körpern, die beim Gewichte stemmen, etwas schwitzend die Muskeln zeigen. Anstatt dessen, ebnete sie sich durch die, von Wind und Wetter getrübt matte Fensterscheibe, einen Blick zum Geplagten. Sie sah ihn auf dem Boden im Wohnzimmer sitzend, angelehnt an die schon etwas kleiner gewordene Endmoräne von Sachen, aber immer noch genügend viele Trümmerberge um in herum. Als sie so dastand und ins überlegen kam, schwappte ein Bild aus ihrer Erinnerung heraus, etwas, was sie gestern schon gefesselt hatte. Im Flur des gestopften Hauses, türmte sich ein kegelförmiger Haufen von Schuhen. Die Sportschuhe hatten überdimensionale Schnürsenkel, die in einem kaum zu entwirrenden Klumpen zwischen den einzelnen Schuhen eingeklemmt, in grau schmutzigen Zustand, troslos schlapp herrumlagen.

Phantasievoll, das war Tina schon im Kindesalter- sie denkt; Auch ein ungeordnetes Dasein im Hiersein kann ein zugeordnetes Anderssein ermöglichen so zu sein, wie es ist. Sammelnd. Den Pfad zum Anderssein im Sosein, stellt sie sich mit dem Echo des Bildes in Ihrem akrobatischen Geiste wortreich als Schnürsenkel Überbewusstseins-Fadenknäuel vor. Die Bewusstheit kommt aus den verschlungenen Tiefen nach Oben, um dann zusehends sich wieder nach unten windend, zu verschlängeln… taucht aus dem Verschwundenen wieder zu Lichte. Zwei, sich an den Enden des Schnürsenkel Überbewusstseins-Faden verhärtende und verstärkt zum Vorschein kommende Enden, werden hier zusammen gebunden und in schöner, althergebrachter Manie, zum Zwecke des Zusammenhaltens, in einer Endlosschleife wieder aneinander geschnürt. Hier und jetzt denkt sich Tina, jetzt reícht’s: das ist sehr psychiatrisch, sich so was auszudenken, nur wegen ein paar Sportschuhen. Ein Gespenst- weg damit, unbedingt entsorgen. Nicht oft, aber wenn es wirklich gebrannt hat, bediente sich Tina ihrer Trickkiste. Sie merkt, dass sie sich in das Karma des Anderen einmischt, und dies nicht der Ordnung halber, sondern des Einziehens halber. Tina hat sich ertappt, dass sie bei dem Geplagten eingezogen ist, versuchte sich hier zu orientieren, erkannte seine, nicht ihre Ordnung in ihren Gedanken und erschrack vor allem. Das geht zu weit. Ordnung der Diiinge, Diiinge der Ordnung. Bei meiner grünen Rotze ein Zitat aus …… ein literarischer Leckerbissen mit Tiefgang. Hier kann nur noch undefinierbar denken helfen, denkt sich Tina aufgeregt, schon an der Grenze der Verzweiflung. Denk total aus der Bahn. Mach was Verrücktes. Lass dich nicht kächern. Sie rezitiert im Geiste: „Hellwach und tieftraurig, Schwindel erregend blau-violett tiefdunkel äugig, kleinstmöglich, krankenhausreif schwermütig, schwachsinnig und verfassungsbegeistert…denn wenn es dem Geplagten nicht schwanen tut, wem denn dann? Und wenn es denen nicht köhlert, so kohlt es auch schon Schein(e) und Rauch aus dem Schornstein heraus. Guuut! Gemacht! Sie fühlt sich befreit und losgelöst von diesem bemitleidenswerten Anblick. Apropos Kohle. Ich darf nicht vergessen den Einkaufswagen zu organisieren, denn einiges des Gesammelten hat bestimmt auch einen Wert. Die „Wertsachen“ werden von einem befreundeten Antiquitäten Händler für gutes Geld eingekauft, damit kann Bobo seinen Neuanfang finanzieren.