Mit wachen Augen und mit der sie umgebenden Liebe, ist sie es, Tina, die auf dem Wege ist diese liebenswerte Bobo Nuss zu knacken. Wie eine dumme Pute sehe ich tatsächlich nicht aus, denkt sie und betrachtet ihr rundliches, von einer Blondhaarfrisur umschmeicheltes, Gesicht. Kleinporige Haut ist immer ein gutes Zeichen führ Gepflegtheit und innere Balance. Alles stimmt, stellt sie zufrieden fest – Pore um Pore – doch irgendwie fühlt sie eine leichte Schwellung im Gesicht, wenn sie mit den Augen nach unten schaut. Schade, dass ich nicht noch ins mikroskopisch Kleine sehen kann, das wäre die reinste aller Sicht, bedauert sie kurz. Wie auch immer, mit ihren Gedanken wieder bei der eigentlichen Sache, ihrem Bobo, ruft sie sich in Erinnerung, dass Sammeln eine Lust ist, die nicht wenige Menschen immanent in sich tragen. Verfallen dem Bann der Begierde und dem entzücken der Wollust beim Horten der Dinge. Die Gegenstände sind mit Erinnerungen an Geschichten verknüpft, die der Besitzer durch Berühren, Betrachten und Riechen sich in der Gegenwart zu Eigen machen kann. Wohlsein und Lebensgenuss ist die wichtigste Essenz eines glücklichen Lebens, und deshalb muss sich der Mensch sein eigener, bester Freund sein und diese Bedürfnisse speisen, überlegt sie und orientiert sich Richtung Küche, denn ihr Magen hat schon angefangen zu knurren. Sie hat einen Wolfshunger. Gepflegt und gesättigt geht Tina meist für ungemessene Zeit in ihren zauberhaft gestalteten Buddhistischen Raum, wo sie sich zurückziehen kann. Jahrelanges Training und Meisterklassen, sich hingebungsvoll mit Leere umgeben, das hat sie gelernt. In diesen Stunden geschieht es, dass Tina einen Mangel an Energie oder Einbildungskraft aus sich selbst heraus überwindet, um mit erneuerten Kräften den kommenden Tag schon mal vorweg plant. Epikur – schnurrt sie schlafend. Ein Löwenkopf driftet durch das Traumgebilde, Toni erscheint, hoffentlich erinnert sie sich morgen bewusst nach dem Aufwachen. Als sie so aus der Zuflucht Schlaf erwachte, voll von unruhigem „wo bin ich?“ – umkreiste sich alles in der Dunkelheit, denn es war sehr früh am Morgen. Sachen, Räume, der Sender, das Team, ihr Leib, zu steif, um sich zu rühren, suchte sie sich aus Ihre Müdigkeit zu entfesseln, um zu erschließen, rekonstruieren um zu benennen. Ich hatte doch alt und neu, das eine und andere Zimmer, dass ich gesehen, alles vergegenwärtigt in dem Traum- vor meinem Erwachen. Ein kleiner Druck an die Scheibe, als hätte sie etwas angestoßen; Dann ein weiches, leichtes Strömen, wie von Sandkörnern, die jemand aus einem höher gelegenen Fenster hat fallen lassen, breitet sich aus, wird rhythmisch, flüssig klingend- es regnet, bemüht sich Tina klar zu denken und hat schon einen angenehm Herz erwärmenden Kaffeegeruch in der Nase. Während ihrer morgendlichen Toilette, die immer in der gleichen Routine von ihr absolviert wird, wundert sie sich ein wenig über den Kuddelmuddel ihrer Nachttraumgedanken. Messi Bobo ist Tinas 3. Fall, den sie mit der Redaktion beim Sender aus einer Vorauswahl von Bewerbungen für die Show selbst ausgesucht hat. Die vorherigen Messi Realities waren im Ausmaß der Unordnung und Hortung zwar um einiges Schlimmer, als dieser hier, aber in vielerlei Hinsicht weniger Komplex.
Am 3. Tag morgens findet sich Tina und das Team bei Bobos Haus wieder ein. Nach einigen Telefonaten mit der Redaktion beim Sender und mehreren Telefonaten mit dem Sachverständigen für das „wertvollere Strandgut“ ist sie sich sicher, dass sie sich nach den nächtlichen Überstunden auf das Außen konzentrieren kann, ganz im Sinne eines gesunden Buddhisten-Verstandes. Mit liebevoller Güte und Verbundenheit wird sie aktiv in der Bobo Welt sein, und das alles im Dienste des Anderen. Oder wie Seeleute, tatkräftig um Felsenstrudel herum navigieren und zusehen, dass Sie mit Ihren Beziehungen alles Wertvolle aus dem Haufen Mist retten, um noch einen anständigen Betrag an barem Geld für den geplagten Sammler herauszuholen. Zu diesem Zweck hat sich, zu dem Team, auch der Besagte Gutachter eingefunden. Um dem Ganzen einen schönen Rahmen zu verleihen, steht auch der Shoppingcart bereit. Der Gutachter macht sich daran die Kammer mit den wertvolleren Stücken zu sondieren. Sein sicheres Auge sieht als Erstes einen alten Degen mit wunderschönem Griff und Ziselierungen an der Klinge. Es ist in einem hervorragenden Zustand und dürfte nach spontaner Einschätzung aus dem späten 19. Jahrhundert sein. Das ist doch schon mal was, überlegt er kurz, den Wert wird er in seinem Handbuch für Waffen später genau feststellen können. Einen Käufer hat er auch schon im Auge. Es ist immer das Gleiche, sinniert er, der Geruch ist modrig staubig, vermengt mit Feuchtigkeit und als Basisnote muffiger Schweißgeruch von alten Klamotten die überall im Schlafzimmer, welches neben der Kammer ist, das ganze Haus durchströmt. Während der Sachverständige ein auffälliges, nach einer in Angriffsstellung geknetete Katze in Augenschein nimmt, ist Tina und ihr Team dabei den Container mit dem allergröbsten Kram weiter zu befüllen und den Abtransport zu organisieren. Um Bobo aus dem Weg zu wissen, hat Tina ihn zum Sachverständigen in die Kammer geschickt, denn er soll ein paar Worte zu den Sachen sagen. Woher hat er das schöne, alte Schwert und was ist die Geschichte der doch relativ auffälligen Katze. Außerdem ist der Sachverständige ganz aufgeregt und interessiert an den nach Autokotflügel aussehenden Blechteilen. Bobo lässt sich nicht zweimal bitten, denn er sieht eine Chance doch noch was aus der ganzen Sache rauszuholen. Mit seiner Sammelleidenschaft befindet er sich jetzt im Bereich, indem er tatsächlich eine absolut unentbehrliche Rolle spielt. Soweit er auch in seinem Liebesleben und seinem Vermächtnis abgestuft worden ist, nimmt er bei dieser Gelegenheit die Spitzenstellung ein, wenn es um den Verdienst geht und um die Beschreibung der Herkunft der Wertsachen. Ja, meint er, mit schludriger, etwas Atem leerer Aussprache, das habe er bei einer Versteigerung erworben. Was er damals für das antike Schwert bezahlt hat, wusste er nicht mehr, aber es war jedenfalls eine Menge Geld.Er hatte wirklich eine gute Zeit verbracht mit seinen damaligen Freunden. Die Katze sei ein Entwurf von seinem damaligen Künstlerfreund für einen Brunnen einer Stadt, an dessen Namen und wo sie gelegen ist, er sich nicht mehr erinnern kann. Der Freund habe sich übrigens einen Namen als Skulpteur gemacht. Er hänge sehr an diesem Fundstück, da die Erinnerung an jene Tage, mit besagtem Freund, ihm sehr wichtig sei. Der Gutachter schien sofort zu wissen, um welchen Künstler es sich handelte, denn er meinte ohne lange zu zögern, dass dieser Katzenentwurf sehr wohl auch einen großen Geldwert einbringen könne. Um sicher zu gehen, werde er auch hier entsprechende Sachbücher zu Rate ziehen, aber es sei sich ganz sicher, dass er was Wertvolles in Händen hielt. So langsam schien Bobo sich aus seiner Befangenheit zu lösen, denn seine Augen und auch seine Stimme gewannen an Kraft und Klarheit. Ja, er ist sich dessen bewusst, deshalb müsse er mindestens €1000,- dafür verlangen, wenn nicht noch mehr. Nein, meinte jetzt der Gutachter, er werde jetzt seine Assistentin, dafür hat er sie ja angestellt, anrufen und sofort klären lassen, was diese Stücke wert sind. Das wird zeitnah geklärt, meinte er bestimmend und machte sich sofort daran die Stücke mit seinem Smartphone zu fotografieren und während er in der Bierdeckelsammlung rumkramte, wanderten die Fotos zur Assistentin. Als nächstes nahm Herr Schneider, so hieß der Fachkundige, die Briefmarkenalben und die Münzen mit einer kleinen Lupe unter Visier. Bobo fixierte zeitgleich Gedanken verloren den Mann, der eine saubere und gebügelte graue Bundfaltenhose trug, die mit schwarzem Gürtel über dem etwas dicklichen Bauch zusammengehalten war. Obenrum hatte Herr Schneider ein bügelfreies Hemd mit mittelgroßen rot-grauen Karos an. Seine Haare waren auch grau, aber für sein Alter noch sehr füllig, ferner brauchte er scheinbar außer der Lupe keine Sehhilfe. Auf den ersten Blick nicht so unsympathisch, und obendrauf sehr konzentriert, dachte sich Bobo mit Spannung auf den Kommentar des Fachmanns wartend. Da sind keine richtig wertvollen Marken dabei und es gibt auch keine Goldmünzen, meinte er nach einer Weile, aber die Menge machts. Während sich die zwei mit den Blechen, es stellte sich heraus von einem alten Trabbi stammend, war Tine schon dabei das Resultat, die geleerten Räume zu durchschreiten, und so wie es bei TV-Produktionsfirmen ist, schon wieder in Rücksprache, mal Nachhören bei der Redaktion, was als Nächstes auf dem Programm steht, beschäftigt. Das ging hin und her mit dem telefonieren, da noch eine Bitte hier noch eine Frage abklären, und während sie emsig beschäftigt kurz in die Kammer in der Herr Schneider schon dabei war eine Endsumme für die gehandelte Ware auszurechnen, rief sie das Team zusammen und alle warteten gespannt auf Bodos Reaktion, als er die Endsumme auf dem Smartphone erhaschte. Eigentlich sei er ganz zufrieden mit €7.500,- meinte Bodo ein wenig zögerlich, aber für das Schwert hätte er doch eigentlich € 500.- mehr verlangen wollen. Tina ließ sich nicht lumpen und meinte jovial zum Sachverständigen, dass das doch bestimmt kein Problem werden würde. Nein, meinte dieser, aber 500 sei übers Ziel hinaus, er bietet Bobo 250 mehr, so dass 7.750 für einen Neubeginn zusammen gekommen sind. Schließlich hätte er, Herr Schneider auch die Arbeit und Interessenten. Bobo müsse nur noch per Handschlag zusagen. Das tat er auch, mit einem befreiten Lächeln und glänzenden Augen. Später, meinte er zu Tina, dass er doch überrascht gewesen sei, das diese geknetete Katze so viel wert gewesen sei, aber Kunst sei halt eine Sache für sich.

Als Bobo erleichtert, aber auch etwas melancholisch alleine im gereinigten Haus zurückblieb, überlegte er hin und her, ob er nicht doch den einen Brief, den er damals seiner großen 1. Liebe nicht zugesandt hatte, lesen sollte. Ja, alles ist jetzt weg, all die Dinge an dem mein Herzblut hing und dieser letzte niemals von mir versandte Brief wird mir helfen die ereignisreichen Tage zum Abschluss zu bringen. Zögerlich setzt er sich in dem ihm gebliebenen und mit einem Lammfell bequem gemachten Schaukelstuhl hin und liest die krakelig großzügige Schrift
Weißt du, das was ich dir jetzt versuchen werde zu schreiben fällt mir nicht einfach. Ich fühle in welch einer verzweifelten Lage du dich befindest, glaube mir, ich kann es nachempfinden. Deine Hilflosigkeit und Ohnmacht in Bezug auf deine Beziehung zu einen Menschen den du zu lieben glaubst ist schwer zu ertragen, wahrscheinlich das schwerste was unser Leben uns auferlegt hat. Aber weißt du, was ich glaube, was die Aufgabe eines Menschenlebens ist, der es ernst mit der Liebe meint, ist zunächst zu reifen, in sich etwas zu werden, Welt zu werden für sich, um keines anderen Willens Willen. Ich frag mich noch während ich dies schreibe, fühlst du dich manchmal einsam (oder reflektiere ich meinen Zustand auf dich?) Aber gerade die Einsamkeit oder das Alleinsein wird deine innere Unaufgeräumtheit ordnen, dein Wirrwarr entwirren. Du wirst nicht zu den Menschen gehören, die sich um des anderen Willens verlieren, weil sie sich dem Anderen hinwerfen in ihrer Unaufgeräumtheit. Wie sollten solche junge Menschen, die sich schon an einander gekettet haben und sich nicht mehr abgrenzen können, unterscheiden wer sie selbst sind? Sie besitzen nichts Eigenes mehr, finden keinen Ausweg aus sich selbst heraus. Ich will damit nur sagen, dass es vielleicht besser ist, wenn deine Beziehung zu Anderen so ist und nicht normal. Weißt du ich wünschte ich könnte Antworten auf allgemeine Fragen in Bezug auf Beziehung finden, aber wie schon gesagt, es ist die größte Aufgabe in unseren Leben; zu lernen einen Menschen zu lieben. Vielleicht ist Liebe die Beziehung zweier einsamer Menschen, die sich schützen, berühren und verstehen. Wahrscheinlich ist mein ganzes Geschreibe total unverständlich für dich, schreib mir was du denkst über meine wirren Gedanken. Was ich dir noch schreiben wollte und ich hoffe, du verstehst mich nicht falsch, deshalb schreibe ich es dir ausführlich; und zwar betrifft es mein Benehmen, oder besser mein Gerede im Bett, über die Liebe zu dir, die ich dir auch körperlich geben würde, wenn nicht einige Schranken da wären. Weißt du, nehme mal an unser Leben oder besser unser Dasein würde durch einen Raum, ein Zimmer symbolisiert werden, so zeigt sich, dass die meisten Menschen nur eine kleine Ecke ihres Raumes kennen. Aber ich glaube, es ist notwendig, dass wir gerade die seltenen Ecken in unseren Räumen versuchen zu erforschen, jeden Abgrund – wir müssen unser Dasein soweit als irgend möglich annehmen; alles auch das Unerhörte, muss darin möglich sein. Mutig zu sein, dem Seltsamsten, Wunderlichsten und Eigenwilligsten in unserem Inneren gegenüber offen zu sein, ist sehr wichtig. Ich schreibe solche Dinge, weil ich dabei bin jegliche Schokoriegel, falsche Moral, Konventionen so gut als möglich abzuwerfen, um neuen, nicht absehbaren Erlebnissen offen gegenüberzustehen. So kann, glaube ich eine Zweierbeziehung rein, ehrlich und lebendig bleiben. Was ich damit sagen will ist, dass es mir Leid tut, dich bedrängt zu haben, Du musst jetzt Angst bekommen haben, weil du dies nicht von mir dachtest, dass ich dich begehren könnte. (ich übrigens auch nicht.)
Als Bobo den sich selbst geschriebenen Brief fertig gelesen hatte, wunderte er sich, was es mit dem Schokoriegel auf sich hatte. Stand da wirklich Schokoriegel, oder spinn ich jetzt? Damals, wie heute, war er immer eher schlank, na ja, wie auch immer, jedenfalls hat er, Bobo jetzt ein ordentlich entrümpeltes Haus und sogar noch gutes Geld. Erleichtert und beschwingten Schrittes ging Bobo nach draußen, um einen wirklich herzlichen Abschied von den Helfern zu zelebrieren. Nicht ungerührt reicht er Jedem, nicht nur zum Abschied, sondern um seine Dankbarkeit auszudrücken, die Hand. Zum Schluss richtet er sich mit einem mild ekstatischen Glücksgefühl zu Tina hin, die zu frösteln schien, umarmte sie und die Güte, die sie umschwebte. Sie ließ sich gerne wohlig herzen und empfand dabei eine Woge von Wärme, die ihren ganzen Körper durchströmte. Ihre leichten Rückenschmerzen waren umgehend verschwunden, und dass vom hin und her etwas steif gewordene Knie, wie frisch geschmiert. Das um sie versammelte Publikum beobachtete die Szene mit süßlicher Rührung. Jetzt brauche ich ein Stück Schokolade, dachte Tina, löste sich gefühlvoll aus Bobo’s Umarmung, die erhebende Szene nicht übertreiben wollend, denn die Geste der Umarmung bringt möglicherweise eine verschwommene Liebe wieder zu Tage. Gefühlsseligkeit ist eine sublime Form der Lust, das einzige Ziel menschlichen Strebens, echote es in ihren Ohren- Als sie auf ihrem Heimweg war, stellte sie sich nicht die Frage, warum Bobo gerade diese Sachen gesammelt hat. Es gibt kein Gesetzt, das über die Werte der Dinge bestimmen kann. Nur die Selektion der Dinge, die Bobo zu Horten wagte, gab Auskunft darüber, in welchem Teil seines Universum er sich gerade befunden hatte. Er glaubte nicht ohne diese Dinge existieren zu können, in dem die Botschaften undSymbolik für ihn vertraute Werte hatten. Er lebte unter diesen Umständen, weil er seine Beobachtungen mit seinen Erinnerungen in Einklang bringen konnte. Jetzt kann er, von der Last seines einsamen Herzens befreit, mit der Güte von Anderen und seiner eigenen, neuen Wagnissen entgegen gehen.