An einem überraschend glänzenden Tag, beim Spazieren gehen mit Ihrem Hund hatte sie die Idee, wie Sie neue Hoffnung und Liebe in ihren Alltag und in ihren Beziehungen einfangen könnte. Täglich liest sie die Tageszeitung zum Tee und an diesem besagten Tag war ihr der Schwarz- auf Weiß-Nachrichten -Trübsal einfach zu viel. Wo soll das alles noch hinführen, ging es ihr durch den Kopf, während sie den Küchentisch abräumte. Oft wünscht sie sich ein Medium, das nur die positiven Ereignisse in der Welt und der lokalen Umgebung verbreitet. Aber sie weiß, dass beklagenswerte Zustände für Viele interessanter sind und von der eigenen Stumpfsinnigkeit ablenken, ein Seitenblick zu ihrem Mann macht ihr dies nur noch mehr bewusst. Jeden Morgen das Gleiche: Auf die Toilette gehen, die Rollläden hochziehen, danach die Zeitung reinholen und dann den Frühstückstisch decken. Ihr Mann trinkt morgens Kaffee und sie Tee. Ansonsten gibt es Wurst für ihn und Marmelade oder Honig für sie. Der Hund bekommt seine Zähneputzen-Knochen und viel Wesentliches zum Reden gibt es meistens nicht. “Jetzt bitte nicht“, ist dann die Antwort, „nicht schon zum Frühstück“, „OK“, murrt sie zurück, ganz damit beschäftigt den morgendlichen Hunger in den Griff zu bekommen. „Dann eben später“, murrt er zurück.
Sally hat sich viele, im Zusammenhang mit ihrer Lektüre über Kontrolldramen, Gedanken über ihre Ehe und das Zusammenleben mit Rick gemacht. Sie kommt einfach nicht mehr mit dem

Nachfragen ihres Mannes zurecht und spürt, wie er sie mit seinem ständigen Hinterfragen, weshalb sie dies oder jenes tut oder sagt, in ihrem eigenen Energielevel anzapft. Früher tendierte sie dazu sich zurückzuziehen, um sich nicht auf einen Konflikt einlassen zu müssen. Fragen über dies und jenes, den oder die, zu eben allen Dingen, mit denen sie gerade nicht beschäftigt werden wollte. Ihre Willensstärke unterstützt Sally, immer wieder aufkommende Selbstzweifel, ihre Grundangst, von Rick unterbewusst beeinflusst zu werden, unter Kontrolle zu halten. Wenn sie das Gefühl befällt, geht sie schnurstracks auf Distanz zu ihm. Nein, ihren Freiraum ließ sie sich noch nie nehmen, schließlich muss sie sich ja auch um ihre betagte und hilfebedürftige Mutter kümmern, und zudem erledigt sie noch die Grabpflege für Ricks Eltern und dies schon seit etlichen Jahren. Ohnehin ist es Zeit um Mutter im Keller des 2 Familienhauses zu wecken und für den Tag zu recht zu machen. Die alte Frau lebt bei Sally und ihrem Mann, denn Sie pflegt ihre Mutter, da Sie, wie Sally es offen zugibt, eine großzügig ausreichende Zuneigung für ihre Mutter beibehalten hat, gewissenhaft und ohne großes Aufsehen davon zu machen. Der körperliche und geistige Zustand der Greisin ist, je nach Tagesform, einmal rüstig und real gegenwärtig, bis hin zu oben- und untenrum undicht. Sally pflegt ihre Mutter Susan, auch Ms Gaga genannt, und registriert genau, wann die alte Dame ins Regenbogenland entflohen ist. Die Rosarote –Mutter- Brille-Sicht birgt unergründliche Gefahren für alle, für Mutter, Sally und natürlich auch für die Beziehung zu ihrem Mann Rick. Seit Sally sich mit systemischer Psychologie „en passant“ beschäftigt hatte, glaubte sie fest daran zu wissen, dass sich alle Beziehungen wie ein Mobile verhalten. Alle sind miteinander verbunden, und wenn sich das Gebilde aus dem Windschatten der Müßigkeit und Langeweile verabschiedet, dann fängt das Ganze an zu wanken, und schaukelt die Körperlichkeit nur so in der Gegenwart herum. Mit dieser Gegebenheit befremdet unterlegen, manches Mal auch in Begleitung ihrer Mutter, dann natürlich in

einem sehr langsameren Gehtempo, empfand Sally bei ihren regelmäßigen Streifzügen die jubilierende Vogelwelt, das Draußen, außerhalb von ihr, als etwas nicht zu ihr gehöriges. Durchtränkt von dem furchtbaren Weltnachrichten, dem fast schon apathischen morgendlichen hantieren, stolpert sie dem Vierbeiner hinterher und wünscht sich so sehr von ganzem Herzen einfach nur die grüne Pracht als gütiges Geschenk des Schöpfers genießen zu können.
Beim Gehen kam die Idee. Die sauberen Wege und Straßen, frei von jeglichem grün kaum noch Wildpflanzen zu sehen, alle Ritze frei von Gräsern nur noch reingefegter Asphalt.
Nach einer Feder suchend ging sie aus
Des Vogels leuchtend lockende Pracht
Ein Hauch von seidener Leichtigkeit
Schmückt jede Richtung auf ihren Pfad
Mit fließender Kraft der Strömung folgend
Liegt obenauf die Feder leicht
Zum Ursprung der Quelle
Der Schoß als Inspiration
Gezogen von der Weiblichkeit
Zum Garten geht sie den Weg weiter
Auf fest verlässlicher Erde sacht
Ein kräftiger Teppich mit vielerlei Gräbern
hütet die zweite Federpracht
Mit eigenwilliger Schönheit
Leicht schwer, Feder aufgrund
Sonnenlicht Schatten
Leere
Ganzheit verzaubert?
Lebendiges Spiel unscharf offener Augen
Zum Strom des Windes hoch
Feder verliert die Federpracht
Was bleibt ist unsichtbar
Die Kraft.
Nachts ist’s am Sicheresten, wenn fast alle Menschen schlafen. Mancher träumt auch, sicherlich nicht von ihr, denkt sie sich weiter. Klar steht auch des Nachts niemand am Fenster und guckt, was so passiert in der dunklen Zeit. Keiner macht so was mehr. Wenn gucken, dann Fernsehen. Immer wieder geht sie an denselben Pflanzen vorbei und plant schon einige Male den Zugriff. Ein Vorteil ist, die Gräser in den öffentlichen Anlagen haben eine stattliche Größe. Auf einige hat sie schon oft ihr Auge fixiert. Will haben, beherrscht ihren Kopf. Das Beet liegt schräg gegenüber der Traffo-Station. Die sind in den Jahren zu kleinen stromerzeugenden oder weiterleitenden Energiestationen umfunktioniert worden. Sie konnte einige zischend brummende Allgemeinheit-Geheimnisse entziffern und zur Kenntnis nehmen- allerdings findet sie das wesentlich unaufgeregter, als ihr Verlagen nach den Gräsern, Kräutern und Blumen. Es ist deren filigrane Biegsamkeit und dauernde Bewegung, die sie faszinierte und in den Bann zieht. In ihrer Vorstellung sieht sie die Schilfe schon neben den bauchigen Stauden und geschmeidig neben den Blumen in ihrem Garten stehen. Die Öffentlichen Pflanzen kommen in den Vorgarten und werden in einem Kreis versetzt nebeneinander platziert. Die Nachbarn sollen denken, dass sie in den Garten investiert. Das Zittergras, wird auch getrocknet noch in der Wintervase zur Entfaltung kommen. Davon ist sie überzeugt.


Selbst Aphrodite ist auf unserem Planeten nicht so lieblich, so notwendig wie unsere Pflanzen? Grüner Teppich mit dem sich Mutter Erde verhüllt, der eigentliche Nährboden menschlichen Atmens, Essens und dem Leben im Allgemeinen. Auf der Unterseite jedes einzelnen Blattes öffnen und schließen sich 1 Million Lippen und geben Sauerstoff ab. Das alles hat Sally in dem Buch von Thompkins und Bird gelesen, das sind wissenschaftliche Untersuchungen und bitte, nicht wie Rick immer lautstark kundtut „esoterischer Schwachsinn“. Sally ist nicht mehr defensiv, wenn er das sagt, weil sie sich darüber schlau gemacht hat. Ein Gespräch über Sex, das in der Bio- Atmosphäre eine Art sexuelle Energie freisetzt- wie bei den Orgonen und deren Fruchtbarkeitsriten, bei denen auf frisch gesäten Feldern Geschlechtsverkehr ausgeübt wurde, tatsächlich das Moss (die Pflanze) zum Wachstum angeregt habe, las sie Rick aus dem Buch vor, der augenscheinlich ziemlich unsicher geworden ist. Dem Thema Sex wich er vermeintlich aus, des nicht Aussprechens zuliebe. Sally nutzt die Gelegenheit und referiert weiter über was Francé, ein Naturwissenschaftler, über das Geheimnis der Pflanzen wusste. „Pflanzen bewegen sich so leicht und frei, wie die geschicktesten Menschen oder wie Ben, der Hund. Menschen bemerken nichts, weil sie Bewegungen nicht in Zeitlupe sehen können. „Pflanzenwurzeln, zitiert sie weiter, graben und forschen durch das Erdreich, Knospen und Zweige schwingen Kreise, Blätter und Blüten verbeugen und schütteln sich abwechselnd, Ranken drehen sich suchend und strecken ihre Geisterarme aus. Sie tasten ihre Umgebung ab“. „Das hat er aber schön gesagt“, meinte Rick kurz. „Lass das! Du siehst das alles nicht, weil du dir nicht die Zeit nimmst, es zu beobachten. Du tust das als Aberglaube ab und erkennst nicht, dass die Pflanzen ihren Ursprung in einer stofflichen Welt kosmischer Wesen haben“.
Nur gesunde, saubere Pflanzen, die frei von Ungeziefer sind, pflückt sie und keine Pflanzen sammeln, die in schmutzigen, verseuchten Gewässern oder in der Nähe von verkehrsreichen Autobahnen und Industrieanlagen liegen, durchweht es ihren Kopf. Manche Pflanzen stehen unter Naturschutz. Blüten und Blätter beim Sammeln nicht drücken und keine Plastiktüten zum Abtransport verwenden, sonst beginnen die Pflanzen zu schwitzen. Sie liebt verwilderte Gärten, Zeugnis eines Racheaktes der Natur. Diese Unordnung zeugt von einem Gegenschlag zur übertriebenen Ordnungsliebe der Menschen. Der Spaten im Rucksack, die Plastiktüte zum Verstauen, der Rucksack zum Verbergen der Chlorophyllträger in Sicherheit, bei ihr – ein Ritual.

Der Zwang alles unter Kontrolle zu halten ist ihr so überdrüssig geworden, dass Sie mit ihren geklauten Gräsern im Rucksack sehr große Befriedigung fand. Zufall oder Vorsehung, am Valentinstag vermied sie gehwohnte Wege und da war sie, die ultimative Einsicht. „Die Pflanzen zeigen dir das Tor, um dem Trübsal zu entkommen“, ging es ihr durch den Kopf im Hintergrund entfaltet sich der von ihr gelesene Essay: „Language Design“ von Noam Chomsky, was unbedingt durchdacht werden musste. Nicht selten bemerkt Sally, dass das zu denken Wollende ihr förmlich vor die Füße gelegt wird. Auch wenn es sich um Wissensbereiche handelt, die eine Frau in ihrem Alter normalerweise gar nicht interessieren. Dann überlegt sie mit wem sie gerade geredet oder telefoniert hat, um den Grund der vordergründig drängenden, denkenden Gedanken auszuloten. Der Spaten im Rucksack, die Plastiktüte zum Verstauen, der Rucksack zum Verbergen; Der Chlorophyllträger in Sicherheit, bei ihr, Sally. Für den Anfang genügen klein bis mittelgroße Exemplare. Danach in den eigenen Garten zurückpflanzen. Vorher hat sie festgelegt, wie der Garten, in Partielle aufgeteilt, aussehen soll. Blumen und Kräuter grub sie mit der mitgebrachten kleinen Schaufel aus, steckte Bärlauch, den ersten Frühlingsbote vorsichtig, sich nach Zeugen umdrehend in ihre Plastiktüte.